Research Project
Zwischen dem Bewusstsein und dem Unbewussten – Eine Untersuchung der ,,Sedimentierung“ in Phänomenologie und phänomenologischer Psychopathologie
In meinem von Prof. Thiemo Breyer betreuten und durch DAAD geförderten Forschungsprojekt wird das Problem des Unbewussten behandelt, welches im Rahmen der genetischen Phänomenologie Husserls als „die Sedimentierung“ zu verstehen ist. Die einst in der lebendigen Gegenwart konstituierten Gegenstände der bewussten Erlebnisse unterziehen sich gesetzmäßig der retentionalen Wandlung und versinken – d.h. sedimentieren - stufenweise in das „Nullgebiet“ des Bewusstseinslebens, wo die vergangenen Erlebnisse unterschiedslos und affektlos aufbewahrt sind. Diese sedimentierten, unbewusst gewordenen Gehalte wirken sich trotz ihres Verlustes der direkten affektiven Kraft weiter auf das aktuelle Bewusstsein aus.
Der erste Teil meines Projekts befasst sich mit einem systematischen bzw. schematischen Verständnis solcher Auswirkungen der Sedimentierung auf verschiedene Bewusstseinsleistungen. Diese Auslegung beruht auf der dreifachen Gliederung des Bewusstseins in die Verstandessphäre, Gemütssphäre und Willenssphäre. Drei entsprechende Strukturmomente, die als die jeweilige konstitutive Auswirkung der Sedimentierung in diesen Sphären zu verstehen sind, werden verdeutlicht.
Der zweite Teil geht über die „normale“ Erfahrung, die im Fokus Husserls Phänomenologie steht, hinaus und wendet sich der pathologischen Erfahrung des Menschen zu. Die dreifachen Auswirkungen der Sedimentierung erleben eine pathologische Abwandlung und gestalten auf eine modifizierte Weise die Bewusstseinsaktivitäten der Psychose, wodurch sie sich von den „Normalen“ unterscheiden. Es wird mithilfe der phänomenologischen Begriffe ausgelegt, wie die sogenannten unbewussten Gehalte, vor allem die in Vergessenheit geratenen Erlebnisse, zu pathologischen Fällen führen.
Der dritte Teil versucht, die pathologischen Erlebnisse bei spezifischen Krankheiten unter Berücksichtigung von vorherigen Studien phänomenologisch zu beschreiben und zu erklären. Primär findet die Borderline-Persönlichkeitsstörung u.a. genauere Betrachtung. Bei Untersuchung dieser Störung wird der hermeneutische Begriff der narrativen Identität eingeführt. Es wird argumentiert, dass nicht nur das Unbewusste kontinuierlich Einflüsse auf das Bewusstsein ausübt, sondern das Letztere umgekehrt die Bedeutsamkeit der vergangenen Erlebnisse immer wieder durch (Re-)Interpretationen neu zu bestimmen vermag. Die gegenseitige Bestimmung zwischen dem Bewusstsein und Unbewussten wird schließlich eingehend erläutert.
Betreuer: Prof. Dr. Thiemo Breyer