Jesús Miguel Marcos del Cano ist Margarita-Salas-Stipendiat und Postdoktorand.
Research Project
„Wahrheit und Affektivität aus phänomenologischer Sicht“
Phänomene wie „Fake News“, postfaktische Politik oder die Hyper-Ideologisierung der öffentlichen Debatte stellen neue und gefährliche Bedrohungen für die heutige Gesellschaft dar. Die unkritische Akzeptanz des Relativismus und die Manipulation von Emotionen sind zwei Faktoren, die diesen Sachverhalt begünstigen. Die Schwächung des Wahrheitssinns in der Postmoderne und die Komplexität des Gemütslebens machen es dringend erforderlich, den Begriff „Wahrheit“ in seiner Verbindung zur Affektivität zu untersuchen.
Ich bin davon überzeugt, dass die Phänomenologie Husserls ein privilegierter Ort ist, um mit dieser Aufgabe zu beginnen. Einerseits basiert sein Verständnis von Wahrheit als Evidenz, die er in Werken wie Logische Untersuchungen oder Erfahrung und Urteil entwickelt hat, auf dem unmittelbaren Erlebnis. Da jedes Erlebnis eine affektive Komponente hat, möchte ich die Rolle des Gefühls bei dem Wahrheitserlebnis untersuchen. Andererseits zielt Philosophie Husserls darauf ab, Gefühle als konstituierende Elemente einer erweiterten Rationalität zu legitimieren. In diesem Sinne können die Ergebnisse meiner Forschung zur Vertiefung von Husserls Idee einer axiologischen Vernunft beitragen.
Das spezifische Ziel meines Projekts ist es, die Frage zu beantworten, inwieweit das, was wir als Wahrheit annehmen, von Gefühlen, Affekten, Stimmungen, Affektionen und anderen Phänomenen des ursprünglichen Gemütsbewusstseins bestimmt und beeinflusst wird. Ich hoffe, folgende Themen zu beleuchten: die Frage nach dem Evidenzgefühl (die Husserl immer abgelehnt hat), die Gleichzeitigkeit des Gefühls im wahren Urteil und die Gemütsevidenz als Erfüllung einer Gefühlsintention. In diesem Sinne bietet die jüngste Veröffentlichung von Husserls Manuskripten über Gefühle reichhaltiges und neues Material für die Forschung.